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Lupo der Listige

Meine Lebensgeschichte spielt sich zum größten Teil in der Blütezeit Bayerns ab.

 

Ich wurde am Mitsommertag des Jahres 1208, als Sohn einer niederbayerischen Kleinadelsfamilie in der noch jungen Landeshauptstadt des Herzogtums Bayern, in Landshut geboren. Bis zum Jahr 1221 verlief meine Kindheit friedlich. Doch in besagtem Jahr wurden alle kampftauglichen jungen Männer dazu aufgefordert unserem Herzog Ludwig I. auf einen Kreuzzug nach Ägypten zu folgen. Unser Herzog war dazu verpflichtet Kaiser Friedrich II. auf dem Kreuzzug zu vertreten, da dieser den Kreuzfahrern Verstärkung versprochen hatte.

So stachen wir im April 1221 von Tarent aus in See. Unser Ziel war zunächst Akkon, die wichtigste Hafenstadt der Kreuzfahrerstaaten. Als wir dort ankamen erfuhren wir, dass das Heer bereits nach Ägypten weitergezogen war. Wir machten uns auf ihm zu folgen. Nachdem wir uns in Damiette dem Heer endlich angeschlossen hatten, machten wir uns auf baldige Kämpfe bereit. Dort begegnete ich einem Krieger namens Gerhard, der aus Hennegau stammte. Dieser war schon bei einem vorherigen Kreuzzug dabei gewesen und hatte sich vor kurzem dem neuen Kreuzfahrerheer angeschlossen. Er wurde mir schnell ein guter Freund. Im Juli 1221 begann unser Vorstoß durch das Nildelta in Richtung Kairo. Durch die schlechten Bodenverhältnisse und die miserable Disziplin kam unser Heer unglücklicherweise nur langsam voran. Als wir im August immer noch im Delta feststeckten, rückten muslimische Verstärkungen aus Syrien an. Es entbrannte eine blutige Schlacht, in der wir durch die steigende Nilschwemme in ungünstige Position geraten waren. Unser bayerisches Korps, das in den vorderen Reihen postiert war, wurde stark dezimiert. Gerhard und ich leisteten so gut wir konnten Widerstand, doch die Feinde waren zu zahlreich. Letztendlich wurden wir umzingelt und gerieten in Gefangenschaft. Der Rest unseres Heeres zog sich nach Damiette zurück. Wir wurden zusammen mit unserem Herzog als Geißeln nach Kairo gebracht. Da das Kreuzfahrerheer stark geschwächt war und Sultan Al-Kamil unseren Herzog in seiner Gewalt hatte, mussten die Kreuzfahrer Damiette verlassen. Diese fünf Wochen, die wir in Gefangenschaft verbrachten waren die dunkelsten meines Lebens. Wir mussten jederzeit damit rechnen sofort hingerichtet zu werden. Nach dem Abzug der Kreuzfahrer zeigte sich der Sultan aber gnädig und ließ uns wieder gehen. In Damiette wurde uns ein Schiff zur Verfügung gestellt, dass uns nach Akkon bringen sollte. Von Akkon aus machten wir uns auf die Reise zurück in unsere Heimat. Gerhard begleitete uns bis nach Landshut, von dort zog er weiter Richtung Hennegau. Wir wenigen Überlebenden aus dem bayerischen Hilfskorps, wurden von unserem Herzog reich belohnt. Im Jahr 1225 nahm er mich in seine herzögliche Leibgarde auf.

In den darauffolgenden Jahren schützte ich meinen Herzog erfolgreich bei den militärischen Konflikten mit den Stauffern. Im Jahr 1229 hatte sich Heinrich, der Sohn des Kaisers, der Vormundschaft unseres Herzogs entledigt und plante Bayern militärisch zu unterwerfen. Es kam zu mehreren Angriffen. Einmal griffen Truppen der Stauffer Landshut von Osten an. Ich hatte vor sie in einen Hinterhalt zu locken, und täuschte mit einigen Männern einen Angriff von Süden her an. Wie geplant errangen wir die Aufmerksamkeit der Feinde und traten einen schnellen Rückzug Richtung Hofberg an. Die Feinde begannen uns zu verfolgen. Vor dem Hofberg erstreckte sich damals noch ein großes Sumpfgebiet, das Froschau genannt wurde. Meine Männer und ich kannten einen sicheren Pfad, auf dem man schnell durch den Sumpf gelangen konnte. Die Truppen der Stauffer, die uns bis in den Sumpf gefolgt waren, kamen wie geplant schlecht vorwärts. Auf der anderen Seite erwarteten sie bereits unsere Bogenschützen, die die Feinde, von den Hängen des Hofbergs herab, unter Beschuss nahmen. Kurz darauf rückte Verstärkung aus dem Landshuter Südtor heran und die übrigen Feinde ergaben sich. Meine Erinnerungen an die Niederlage im Nildelta hatten mich auf diese Idee gebracht. Von da an erhielt ich den Beinamen „der Listige“. Trotz dieses kleinen Sieges war die Bedrohung durch Heinrich zu groß geworden und unser Herzog zog seine Ansprüche auf die Vormundschaft zurück.

Als Kaiser Friedrich sich auf einen Kreuzzug begab, schien der Konflikt beigelegt und die Gefahr gebannt.

Doch im September 1231 sollte ich in meiner Aufgabe als Leibwächter versagen. Als unser Herzog, ein weiterer Leibwächter und ich die Donaubrücke in Kehlheim überquerten, kam uns ein Mönch entgegen. Dies war keine Person von der man Gefahr vermutete. Als wir ihn passierten, zog dieser blitzschnell einen Dolch aus seiner Kutte, sprang auf den Herzog zu und rammte ihm den Stahl in den Nacken. Reflexartig zog ich mein Kurzschwert und erschlug den Mönch mit einem schnellen Hieb. Wir stellten fest, dass wir unserem Herzog nicht mehr helfen konnten. Als wir die Leiche des Mönchs untersuchten, fanden wir bei ihm einige weitere Dolche, die allesamt orientalisch verziert waren. Als keiner der Mönche der umliegenden Klöster den Täter identifizieren konnte, waren wir uns sicher, dass dieser gar kein Mönch gewesen war, sondern ein Assassine. Was die Assassinen bewegt haben könnte, einen Anschlag auf unseren Herzog zu verüben, konnten wir nie herausfinden, doch der Verdacht liegt nahe, dass der Kaiser dies veranlasst haben könnte.

Unser neuer Herzog Otto II. bestrafte mich und den anderen Leibwächter für unser Versagen, indem er uns zu gewöhnlichen Stadtwachen herabsetzte. Doch ein Jahr später nahm Otto mich wieder als Waffenknecht, in sein persönliches Gefolge, auf. Seitdem trage ich einen Schild mit den Farben Weiß und Blau, den neuen Wappenfarben der Wittelsbacher.

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